Die Neonazi-Kleinstpartei „Der III. Weg“ und das NS-nostalgische Magazin „Ein Fähnlein“ aus Bremen verkündeten das am 5. August 2017 der verurteilte Holocaustleugner Ernst Zündel im Alter von 78 Jahren in Bad Wildbad im Schwarzwald verstorben ist.
Damit ging das Leben eines Antisemiten und Neonazis zu Ende, der bis zum Schluss unbelehrbar blieb.

Von Calmbach nach Toronto
Der Neonazi-Aussteiger Ingo Hasselbach nannte Ernst Zündel einen „schwäbisch-kanadischen Selfmade-Neonazi“, denn Zündels Lebensort war lange Zeit Kanada. Geboren wurde Ernst Christof Friedrich Zündel am 24. April 1939 im baden-württembergischen Calmbach. In Pforzheim machte er eine Ausbildung zum Fotoretuscheur. Doch bereits im September 1958 wandert Zündel als damals 19-Jähriger nach Kanada aus, um dem Wehrdienst zu entgehen. In seiner neuen Heimat arbeitet er als Maler und Grafiker. Anfangs lebte er in Montreal und später in Toronto. In Nordamerika kam er in Kontakt mit Holocaustleugnern wie dem US-Amerikaner Austin J. App, Autor von „The Six Million Swindle“ (1973). Anfang der 1970-er Jahre begegnet er auch dem Holocaustleugner Thies Christophersen (1918-1997), einem ehemaligen SS-Sonderoffizier in Auschwitz. Später, 1995 übernahm Zündel auch von Christophersen die Herausgabe der NS-apologetischen Zeitschrift „Die Bauernschaft“, die er kurze Zeit darauf aber wieder einstellte.
Zündel begann in den 1970-er Jahren selbst zu schreiben, zunächst unter dem Pseudonym „Christof Friedrich“. Unter diesem Namen war er u.a. Mitautor von „The Hitler We Loved and Why“.
Außerdem gründete er 1976 den Verlag „Samisdat Publishers Ltd.“, den der Experte Anton Maegerle treffend als „propagandistische Zentrale der Internationale der Holocaust-Leugner“ beschreibt. Hier verlegt er diverse holocaustleugnende Schriften, Audiokassetten und Videos. Auch übersetzte er Thies Christophersens Schrift „Auschwitz-Lüge“ ins Englische. Monatlich gab er zudem den „Germania“-Rundbrief mit dem Untertitel „Ein Ziel, Ein Wille, Ein Sieg“ heraus. Hinzu kam später eine täglich versandte Rundmail („Zgrams“).

Im Jahr 1985 wurde Zündel in Kanada zu 15 Monaten Haft wegen Veröffentlichung falscher Tatsachen über den Holoacust verurteilt. Das Urteil wurde aber 1987 in Berufung auf Grund eines Formalfehlers wieder aufgehoben. Von 1988 bis 1992 kam es zu einem zweiten Prozess in Kanada.
Seine Gerichtsprozesse nutzt der „Showmaster“ Zündel geschickt zur Selbstinszenierung bzw. als Plattform für seine Hetze. Einmal erschien er beispielsweise mit einem 4-Meter-Kreuz. So wird die Verhandlung gegen Zündel zu einer Verhandlung über den Holocaust. Zündel lässt bekannte HolocaustleugnerInnen als Zeugen auftreten. Am Ende wurde Zündel aber trotzdem zu neun Monaten Haft verurteilt.

Bericht aus der August-Ausgabe des NPD-Blatts „Deutsche Stimme“

Doch Zündel belieferte von Kanada aus nicht nur den deutschsprachigen Raum mit Hass-Propaganda, sondern mischte auch in der englischsprachigen extrem rechten Szene Nordamerikas mit. So gehörte er 1976/77 der Redaktion von „White Power Reports“ an. Im Jahr 1979 nahm er an der Gründungsveranstaltung des „Institute for Historical Review“ (IHR) teil. Das heute noch aktive IHR ist ein wichtiger Knotenpunkt der internationalen Holocaustleugnung.
Den Kampf gegen die „Holocaust-Lüge“ sah Zündel als seine Lebensaufgabe. Im Jahr 1981 versandte er entsprechende Propaganda an US-Medien und kaufte Sendezeit bei nordamerikanischen Radio- und TV-Stationen. So war es ihm Anfang 1993 gelungen, Senderechte bei Radio- und Fernsehstationen in den USA zu erwerben. Unter anderem sendete er als „Stimme der Freiheit“ auf Deutsch und versuchte so die in den nördlichen USA immer noch zahlreichen deutschsprachigen US-AmerikanerInnen zu agitieren.
Obwohl über Jahrzehnte in Kanada wohnhaft, reiste Zündel immer wieder auch nach Europa. So wurde er im März 1991 in München am Rande der neonazistischen Großveranstaltung „Wahrheit macht frei“ verhaftet. Gegen Zündel bestand seit August 1990 ein Haftbefehl des Amtsgerichts München wegen der Leugnung des Massenmordes an den Juden im Nationalsozialismus. Im Urteil vom 16. Dezember 1991 wurde Zündel lediglich zu einer Geldstrafe von 12.600 DM (etwa 6.300 Euro) durch das Amtsgericht wegen Volksverhetzung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Aufstachlung zum Rassenhass verurteilt.

Von Toronto nach Tenessee
Über die Jahre hatte Zündel die Toleranz selbst der liberalen Behörden in Kanada überstrapaziert. Ihm drohte die Aberkennung der Aufenthaltsgenehmigung in Kanada und die Abschiebung nach Deutschland. Im Jahr 1996 wurde Zündel sogar vom kanadischen Geheimdienst als Gefahr für die öffentliche Sicherheit eingestuft.
Im Januar 2000 verließ Zündel deswegen Kanada und zog in die USA nach Tennessee, wo er 2001 die ebenfalls deutschstämmige Ingrid Rimlaud heiratete. Bereits bevor sie zu Ingrid Zündel wurde war Rimland bereits eine enge Vertraute und Mitarbeiterin Zündels. Die Pädagogin und Psychologin war offiziell zuständig für Zündels Webauftritt, die so genannte „Zündelsite“. Um nicht mit kanadischen Gesetzen in Konflikt zu geraten wurde die Website umbenannt in „Ingrid Rimland’s Zündelsite“, denn in den USA sind die Gesetze noch liberaler als in Kanada.
Die „Zündelsite“ existierte seit 1995 im Internet und war mehrsprachig. Zuerst in Deutsch und Englisch, später auch in Französisch, Portugiesisch, Russisch und Schwedisch. In der Frühzeit des Internets war die „Zündelsite“ eine wichtige Informationsquelle für die Neonazi-Szene. So waren hier beispielsweise 100 deutschsprachige Bücher im Volltext herunterladbar.
Mehrere Anbieter wie T-Online sperrten 1996 den Zugang zu der Seite.

Von Tenessee in das deutsche Gefängnis
Bereits am 27. November 1997 wurde von der Staatsanwaltschaft Mannheim ein Haftbefehl gegen Zündel erlassen. Doch erst 2005 konnte Zündel an Deutschland ausgeliefert werden.
Zündel hatte in den USA einen Anhörungstermin für sein abgelaufenes Besuchervisum versäumt, wurde deswegen im Februar 2003 festgenommen und nach Kanada abgeschoben. Zudem wurde ihm für zwei Jahrzehnte die Wiedereinreise in die Vereinigten Staaten unter hoher Strafandrohung untersagt. In Kanada blieb Zündel in Haft, bis er Ende Februar 2005 als unerwünschte Person nach Deutschland abgeschoben werden konnte. Hier wurde er direkt nach seiner Ankunft am Flughafen vom BKA festgenommen.

Angeklagt wurde Zündel wegen Volksverhetzung und der Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Vor Gericht ließ sich Zündel seit Mitte 2005 von drei Wahl- und zwei (ehemals: drei) PflichtverteidigerInnen vertreten. Unter seinen Plichtverteidigern befand sich mit dem Rechtsanwalt Ludwig Bock aus Mannheim auch ein Szene-Anwalt. Seine WahlverteidigerInnen waren sogar allesamt rechte Szene-AnwältInnen: Jürgen Rieger, Dr. Herbert Schaller aus Österreich und Sylvia Stolz. Letztere wurde wegen „Hasstriaden gegen Juden, Prozessverschleppung und Missachtung der Kammer“ bzw. „verteidigungsfremden“ Verhaltens aus dem Verfahren ausgeschlossen.
Im Publikum saßen damals immer zwischen 20 und 60 AnhängerInnen, darunter Szenegrößen wie Ursula Haverbeck, Günter Deckert, Thomas „Steiner“ Wulff, Günter Deckert, Stefan Wollenschläger, Wolfgang Juchem, Bernhard Schaub und Herbert Bellschan von Mildenburg, ein ehemaliger SS-Untersturmführer. Während der Fußball-Männer-WM trugen einige der ZuschauerInnen in Mannheim iranische Trikots, um so ihre Verbundenheit mit der iranischen Theokratie und dem iranischen Präsidenten und Antisemiten Mahmud Ahmadinedschad zum Ausdruck zu bringen.

Im Jahr 2007 wurde Zündel wegen Volksverhetzung vom Landgericht Mannheim zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und sitzt bis 2010 im Gefängnis.
Nach dem Gefängnis ließ sich Zündel in seinem Elternhaus in Bad Wildbad nieder. Zwar verhielt sich Zündel nach seiner Haftentlassung eher unauffällig, aber der Kontakt zur Neonazi-Szene blieb bestehen. So trat er 2014 vor Neonazis in Hamm auf.
Ansonsten halfen ihm Neonazis wie Klaus Armstroff, Vorsitzender von „Der III. Weg“, bei Renovierung und Ausbau seines Hauses.

Einschätzung des Wirken Zündels
Zündel verband geschickt seine Ideologie mit seinem ökonomischen Auskommen. Über Jahrzehnte war er einer der führenden Ideologie-Lieferanten im Bereich Neonazismus und Holocaustleugnung.
Was deutschsprachige extrem rechte Homepages angeht, so war Zündel sogar eine Art Pionier auf diesem Gebiet. Er wirkte auf diesem Gebiet, agitierte aber ebenso über diverse Schriftpublikationen, Videos und Rundfunkprogramme.
Er hatte in den USA nach Eigenangabe 29.000 Adressen auf seiner US-Versandliste und insgesamt KundInnen in 45 Ländern.

Im Gegensatz zu anderen ProtagonistInnen der extremen Rechten war Zündel immer eindeutig als Neonazi identifizierbar. Der Mitverfasser des Werks „The Hitler We Loved and Why“ machte nie einen besonderen Hehl aus seiner Einstellung.
Sein offener Antisemitismus, Hitlerismus und Neonazismus machte ihn für Bereiche der extremen Rechten außerhalb des Neonazismus untragbar. Auch Zündels Esoterik, z.B. seine Vorstellung von Nazi-Ufos am Südpol, dürften teilweise abschreckend gewirkt haben. Damit blieb Zündels Einfluss selbst innerhalb der extremen Rechten beschränkt.
Doch selbst hier gab es immer wieder Kritik an Zündels Selbstdarstellung und seinem Geschäftssinn. Zu diesen gehörte nicht nur sein Verkauf von Büchern und Merchandise wie
z.B. kleinen Nazi-Ufo-Modellen, sondern auch Spenden und Erben. Zu den Zündel-Spendern zählte auch der 1999 verstorbene Papier-Fabrikant Hans-Joachim Dill aus Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart.
Zündel selbst wiederum finanzierte jahrelang den Münchner Neonazi-Aktivisten Bela Ewald Althans mit monatlich 2.500 DM (etwa 1.250 Euro), so dass dieser das „Zündelbüro“ „Althans Vertriebswege und Öffentlichkeitsarbeit“ (AVÖ) in München betreiben und 1990 in München den Kongress „Wahrheit macht frei“ ausrichten konnte.

Zündel ist tot, doch die von ihm beeinflussten Personen machen weiter. Die Neonazi-Szene in den USA, deren Märtyrer-Ikone Zündel zeitweise war, verspürt derzeit im Windschatten von Trumps Rechtspopulismus einen enormen Aufschwung. Ihre Mitglieder gehen vermehrt auf die Straße und greifen ihre (vermeintlichen) Gegner*innen tätlich an. Der Mord an Heather Heyer in Charlottesville am 12. August 2017 durch den 20-jährigen Neonazi James Alex Fields ist nur der vorläufige traurige Höhepunkt dieser Entwicklung.