Jahrzehntelang war die NPD in Baden-Württemberg die bestimmende extrem rechte Kraft im Parteienspektrum. Für ein paar Jahre wurde dieses Monopol von der Partei „Die Republikaner“ gebrochen und ab 2013 endgültig von der AfD, die sich seit ihrer 2013 eine Sammelpartei rechts von der Union ist.

Anderes Label, gleicher Inhalt: Von NPD zu „die Heimat“

Die NPD in Baden-Württemberg wurde seit 2013 bei Wahlen durch die attraktivere AfD stark marginalisiert und leidet auch unter sinkenden Mitgliederzahlen. Laut Behördenangaben verfügte die NPD 2021 in Baden-Württemberg über 370 Mitglieder.

Die 2023 erfolgte Umbenennung in „die Heimat“ wird ihr auch nicht helfen. Die Partei versucht analog zur Umbenennung einen Platz in dem außerparlamentarischen Netzwerk der extremen Rechten (Corona-Proteste, Anti-Asyl-Proeteste etc.) zu finden, z.B. in dem ihr Magazin „Deutsche Stimme“ (DS) so genannte „Netzwerktage“ durchführt. Der Erfolg der bisherigen drei DS-Netzwerktage blieb aber mit 50 bis 100 Teilnehmenden sehr überschaubar. Daran nahmen auch Personen aus Baden-Württemberg als Referent/innen teil.

Am 1. DS-Netzwerktag am 10. September 2022 in Eisenach (Thüringen) nahmen Michael Dangel („Wir Heilbronn“, „Projekt Pluriversum“) aus Heilbronn und  Dubravko Mandic (rechter Szeneanwalt) aus Freiburg teil und am 3. DS-Netzwerktag am 13. Mai 2023 in Altenstadt (Hessen) nahm Nicole Schneiders (rechte Szeneanwältin) aus Ettlingen teil.

Aktivitäten in Baden-Württemberg

Der Landesverband Baden-Württemberg von „die Heimat“ ist zu schwach, um in der Fläche wirksam zu werden. Derzeit ist nur ein einziger regionaler Verband unter dem neuen Parteinamen aktiv: „die Heimat Nordbaden“.

Früher existierten auch die Kreisverbände Böblingen (Postfach in Herrenberg), Breisgau (Postfach in Bötzingen), Esslingen (Postfach in Esslingen), Göppingen, Heilbronn / Hohenlohe (Postfach in Öhringen), Karlsruhe / Mittelbaden (Postfach in Karlsruhe), Neckar-Alb (Postfach in Bisingen), Ostalb (Postfach in Aalen), Rems-Murr, Rhein-Neckar (Postfach in Weinheim), Schwäbisch Hall (Postfach in Crailsheim) und Schwarzwald-Baar (Postfach in Villingen-Schwenningen).
In der Bodenseeregion existiert weiter ein 2022 reaktivierter NPD-Kreisverband Bodensee, der weiter unter dem alten Parteinamen auftritt. Offenbar haben hier abtrünnige Namens-Nostalgiker das Sagen.
Ob der Landesverband Baden-Württemberg der NPD-Frauenorganisation „Ring Nationaler Frauen“ noch existiert, ist unklar.

Zu den Corona-Protesten ab April 2020 mobilisierte auch die damalige NPD und trat in Reutlingen oder Sinsheim mit einem eigenen Transparent („Deutschland gegen den Corona-Wahnsinn“) auf. Aber die an den Protesten teilnehmende Gruppe blieb überschaubar im einstelligen Bereich.

Bis 2021 war die NPD-Vorfeldorganisation „Deutsche helfen Deutschen“ auch in Baden-Württemberg aktiv.

Die Partei „die Heimat“ fungiert in Baden-Württemberg als eine Art Neonazi-Traditionsverband mit einem völkischen Feiertagskalender. Gefeiert werden abseits der Öffentlichkeit die „Reichsgründung“, Sommersonnenwende, Erntedank und Wintersonnenwende bzw. „Jul-Feier“.

Braune Resterampe: das Personal von „die Heimat“ in Baden-Württemberg

Der Vorstand des Landesverbands von „die Heimat“ setzt sich wie folgt zusammen:

  • Kommissarische Landesvorsitzende ist Marina Djonovic, Jahrgang 1990, aus Abtsgmünd. Als Einzelhandelskauffrau betreibt sie den Laden „Halligalli“ in Sulzbach.
  • Stellvertretender Landesvorsitzender ist Alexander Neidlein, Jahrgang 1975, aus Buch am Wald in Franken.
    Neidlein ist auch seit März 2017 Generalsekretär der Bundes-NPD und war von 2013 bis Juni 2016 NPD-Landesvorsitzender. Bereits 1993 ging Neidlein als 18-Jähriger nach Bosnien und wurde laut eigenen Angaben Söldner der kroatischen Armee „Hrvatsko vijeće obrane“ („Kroatischer Verteidigungsrat“) des kroatischen Neofaschisten Dobroslav Paraga. Bei den Kämpfen erhielt er einen Bauchdurchschuss und lag anschließend für zwei Monate im Krankenhaus. Danach desertierte er. Der Aussteiger Achim Schmid schreibt in seinem Buch darüber: „Am Ende desertierte er mit zwei Norddeutschen und wurde wegen der Entwendung von Kriegswaffen steckbrieflich von der kroatischen Armee gesucht.“ Die geklauten Waffen hatten wir in Sporttaschen“, erzählt er mir. „Die haben wir im Zug über die österreichische Grenze geschmuggelt“.“ (Achim Schmid: Vergesse Erinnerung, Berlin 2016, Seite 91)
    Später überfiel er im Dezember 1993 mit zwei weiteren Tätern ein Postamt in Lübeck und flog mit der Beute nach Südafrika und schloss sich dort einer Terrororganisation an, die gegen das Ende der Apartheid kämpfte. Später wurde er an Deutschland ausgeliefert
    1996/97 trat er in die JN bzw. NPD ein.
  • Schatzmeister ist Jan Zimmermann, Jahrgang 1977, aus Eichstetten am Kaiserstuhl.
    Der Eisenbahnfahrzeugführer war bereits seit Juni 2016 NPD-Landesschatzmeister und seit April 2014 Vorsitzender im Vorstand des NPD-Kreisverbands Breisgau. Zimmermann kommt ursprünglich aus Hamburg. Hier kandidierte er 2004 für die Hamburgische Bürgerschaft, 2005 für den Bundestag im Wahlkreis Hamburg-Nord und im Herbst 2009 in Hamburg erneut für den Bundestag.
    Im Jahr 2013 oder 2014 zog er nach Südwestdeutschland. Im Jahr 2014 spendete er der NPD 10.662 Euro.
  • Beisitzer ist Jürgen Schützinger, Jahrgang 1953, aus Villingen-Schwenningen. Schützinger war einige Jahre im Polizeidienst und wurde später Wein- und Spirituosenvertreter.
    Er soll bereits 1968 der NPD-Jugend JN und 1975 der NPD beigetreten sein. Von 1978 bis 1991 war er NPD-Landesvorsitzender und von 1987 bis 1991 NPD-Bundesgeschäftsführer, sowie 2005 bis 2013 erneut NPD-Landesvorsitzender. Außerdem war er Vorsitzender der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DLVH), einer gescheiterten extrem rechten Sammlungspartei.
    Für NPD bzw. DLVH er im Kreis- und Stadtrat von Villingen-Schwenningen bzw. im Schwarzwald-Baar-Kreis.
    Er ist seit 2022 auch Beisitzer im Vorstand der „Gesellschaft für freie Publizistik“.
  • Beisitzer ist ebenfalls Matthias Brodbeck, Jahrgang 1972, aus Weikersheim. Der technische Angestellter und CNC- Dreher ist seit den frühen 1990er Jahren in der extremen Rechten aktiv und soll seit 1990 NPD-Mitglied sein. Seit 1998 fungiert er als NPD-Kreisvorsitzender in Heilbronn. Er war ebenfalls 1994 bis 2001 Mitglied im JN-Landesvorstand und 2003 bis 2007 NPD-Landesgeschäftsführer. Seit März 2013 war er zudem stellvertretender Landesvorsitzender der NPD Baden-Württemberg.
  • Beisitzerin ist ebenso Edda Schmidt, Jahrgang 1948, aus Bisingen. Schmidt gehört zu einer traditions-völkischen Familie. So war beispielsweise ihre Schwester, Hildrun Biber, 1982 bis 1991 Bundesmädelführerin der 1994 verbotenen „Wiking-Jugend“ (WJ).
    Von 1978 bis 1986 war sie Schriftleiterin des WJ-Organs „Wikinger. Gestalt und Ausdruck volkstreuer Jugend“ und in der WJ-Bundesführung für Singen und Volkstanz zuständig und „Gaumädelführerin“. Insgesamt gab sie an 15 Jahre „führend in der Wiking-Jugend tätig“ gewesen zu sein. Später war sie in der WJ-Abspaltung „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ aktiv.
    Außerdem war sie aktiv in der 2023 verbotenen rassistisch-neuheidnischen „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensführung e.V.“.
    Von 1968 bis 1984 soll Edda Schmidt erstmals Mitglied der NPD gewesen sein. Seit 1999 ist sie wieder Mitglied der NPD und mit Unterbrechung seit 2001 als Beisitzerin im Landesvorstand, wo sie für „Brauchtum, Familie und Erziehung“ zuständig ist. Zeitweise war sie sogar stellvertretende Landesvorsitzende der NPD in Baden-Württemberg.
    Schmidt ist ebenfalls Vorstandsmitglied des bundesweiten Vorstandes der NPD-Frauenorganisation „Ring Nationaler Frauen“ (RNF) und RNF-Landesbeauftragte. Auf dem RNF-Bundeskongress am 17. Oktober 2009 wurde Schmidt mit 80 Prozent der Stimmen zur neuen RNF-Vorsitzenden der NPD-Frauenorganisation gewählt. Dieses Amt gab sie am 25. Januar 2012 ab. Seit dem 29. März 2014 ist sie erneut RNF-Bundesvorstandsmitglied.
  • Weitere Besitzerin ist Reinhild Ufermann bzw. Reinhild Ufermann-Schützinger. Die Versicherungskauffrau ist mit Jürgen Schützinger verheiratet. Sie kandidierte bereits für die DLVH und war aktiv im RNF Baden-Württemberg.
  • Dazu kommt noch die Beisitzerin Katharina Herz, aus Forchtenberg (Hohenlohekreis), die bereits Beisitzerin der NPD Baden-Württemberg war.
  • Beisitzer ist außerdem Daniel Demel aus Sinsheim-Hilsbach. Demel war bereits in der NPD Rhein-Neckar aktiv und seit Oktober 2020 Beisitzer im NPD-Landesverband Baden-Württemberg.
    Als Nachrücker sitzt er seit September 2021 für die NPD bzw. „die Heimat“ im Stadtrat von Sinsheim.

Andere ehemalige NPD-Funktionäre haben sich scheinbar ins Private zurückgezogen. So betreibt der ehemalige NPD-Landesvorsitzende (2016-2020) Janus Nowak, Jahrgang 1978, die Kneipe „Hüttengaudi“ in Herrenberg und eine eigene Biermarke namens „Polsterbräu“. Doch erstens fungiert die Kneipe auch teilweise als Szenetreff und Nowak erledigt auch weiterhin Programmier-Auftragsarbeiten für seine alte Partei.

Instagram Screenshot 28. Juni 2023 – Nowak, Janus erledigt Programmier-Arbeit für die Heimat.

Auch sonst hat er sich nicht von seiner Ideologie getrennt wie einzelne Instagram-Posts belegen, in denen Nowak einen Gebietsrevisionismus in Bezug auf das polnische Schlesien zum Ausdruck bringt.

Instagram Screenshot 03. Oktober – Nowak, Janus Schlesien-Revanchismus

Jugendverband wieder aktiv

Der Jugendverband der Partei firmiert weiter unter dem Namen „Junge Nationalisten“ (JN). Um den völkischen Nachwuchs war es ruhiger geworden.
Vom 14. bis 16. Oktober 2022 trafen sich etwa 30 Mitglieder der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ im „Jugendheim Hohenlohe“ der völkischen Ludendorffer-Sekte in Herboldshausen bei Kirchberg/Jagst um einen „Gemeinschaftstag Süd“ durchzuführen und einen Stützpunkt für Baden-Württemberg neu zu gründen.[1]
Auf Instagram tauchte im September 2023 auch die Gruppe „Baden verteidigen“ als Ableger der JN bzw. von deren Tarn-Label „Inferno Deutschland“ auf.
Zusätzlich scheint sich die Gruppe „Pforzheim Revolte“ der Ex-NPD-Jugend angenähert zu haben.

Fazit: ein Schatten ihrer selbst 

Die ehemalige NPD ist ein Schatten ihrer selbst. Dabei zog sie 1968 mit 9,8 Prozent der Stimmen schon einmal in den Landtag von Baden-Württemberg ein. Doch an der Wahlurne wurde sie von der AfD in den Promillebereich verdrängt. Insofern spielt die Partei als Wahlpartei keinerlei Rolle mehr. Aber die Partei „die Heimat“ ist weiterhin eine Heimstätte der neonazistischen Rechten in Baden-Württemberg. Im Netzwerk des Neonazismus stellt sie insofern weiterhin einen wichtigen Knotenpunkt dar.


[1]              Timo Büchner: NPD in Herboldshausen, Südwestpresse, 04.11.2022, https://www.swp.de/lokales/crailsheim/rechtsextreme-in-herboldshausen-neonazis-gruenden-einen-_stuetzpunkt_-in-hohenlohe-67433131.html; Kai Laufen: NPD-Jugendorganisation: Geheimes Treffen in Baden-Württemberg, SWR4 BW, 04.11.2022, https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/heilbronn/npd-jugendorganisation-rechtsextremisten-nationalisten-baden-wuerttemberg-kirchberg-an-der-jagst-100.html