Bisher hatte die AfD Demonstrationen und Kundgebungen in Baden-Württemberg erkennbar vermieden. Eine nicht unkluge Taktik, da solche Veranstaltungen ein Klientel anziehen, zu dem die AfD öffentlich lieber Distanz hält. Konkret kommen dann neben erkennbaren Neonazis oft auch Mitglieder des rechten Narrensaums, die etwa skurrilen Verschwörungstheorien anhängen. Von denen äußert sich dann einer oder eine unbedacht gegenüber der Presse und zerstört derart die letzten Trümmer der noch bestehenden bürgerlichen Fassade der Partei.

Diese taktische Rücksichtnahme scheint auch in Baden-Württemberg vorüber zu sein. Laut Ankündigung auf der Homepage des rechtspopulistischen COMPACT-Magazins ist für den 1. Juli 2017 ab 14 Uhr auf dem Lindenplatz in Offenburg eine Kundgebung der AfD geplant.
Laut Presseberichten richtet sich die Kundgebung gegen die ehemalige „Gebühreneinzugszentrale“ (GEZ), womit der heutige „Beitragsservice“ der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten gemeint sein dürfte. Die „GEZ“ fungiert unter Rechten als Stellvertreter für das Feindbild „Lügenpresse“ (PEGIDA) bzw. „Pinocchiopresse“ (AfD). Die Auswahl der RednerInnen lässt aber vermuten, dass nicht nur die „GEZ“ das Thema sein wird, sondern auch die vermeintlich von der „Lügenpresse“ unterdrückten Themen.

Schau mal, wer da spricht
Angekündigte RednerInnen sind Michael Stürzenberger, Siggi Däbritz, Leyla Bilge, Christina Baum, Stefan Räpple und Jürgen Elsässer. Namen, die in rechten Kreisen einigen Klang besitzen, darüber hinaus aber eher unbekannt sein dürften. Deswegen an dieser Stelle eine kurze Vorstellung.

Michael Stürzenberger
Michael Stürzenberger war 2003 bis 2004 der Pressesprecher der CSU München. Spätestens seit seinem Austritt aus der CSU 2011 hat er sich zu einem veritablen Islamhasser entwickelt. Als antimuslimischer Hassprediger beehrt er vor allem München mit seinen Auftritten, reist aber auch als Redner durch die Republik und spricht etwa bei PEGIDA in Dresden.
Gleichzeitig ist er Pressesprecher des bayerischen Landesverbandes der „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE). Die BPE ist eine antimuslimischen NGO, die auch in Baden-Württemberg gegen den Bau von Moscheen agitiert. Zeitweilig war Stürzenberger zudem aktiv in der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“, deren letzter Bundesvorsitzender er auch war. Inzwischen hat sich diese erfolglose Splitterpartei zugunsten der AfD aufgelöst. Auch in Baden-Württemberg haben mehrere Mitglieder zur AfD über gewechselt.

Siegfried Däbritz
Siegfried Däbritz aus dem sächsischen Meißen ist ein PEGIDA-Urgestein. Er war und ist Mitorganisator und Security-Chef der PEGIDA-Aufmärsche in Dresden.
Inspiration bezog er dafür auch von den Demonstrationen der „Hooligans gegen Salafismus“ (HoGeSa), zu deren Umfeld er zu rechnen ist.
Spätestens seitdem sich Lutz Bachmann auf der Bühne von PEGIDA rar macht, darf Siegfried „Siggi“ Däbritz als „Ersatz-Bachmann“ eingestuft werden.
In jüngster Zeit engagiert sich Däbritz auch in der AfD. Hier misslang es ihm aber im November 2016, sich als Direktkandidat zur Bundestagswahl aufstellen zu lassen.
Aus seinem Rassismus machte Däbritz nie einen großen Hehl. So bezeichnete er Muslime als „bärtige Ziegenwämser“, als „mohammedanische Kamelwämser“ oder als „Schluchtenscheißer“.

Leyla Bilge
Zwar tritt Leyla Bilge aus Krefeld gern als „Islamkritikerin“ in Erscheinung, aber das tut sie in letzter Zeit fast ausschließlich bei AfD-Gliederungen. Weil Bilge eine Ex-Muslima kurdischer Herkunft ist, wird ihr auch eine gewisse Authentizität als ‚Insiderin‘ zugesprochen.  Jedoch soll sie inzwischen zum Christentum konvertiert sein, was einem grundsätzlich religionskritischen Ansatz eher abträglich sein dürfte.

Christina Baum
Die Landtagsabgeordnete Christina Baum aus Lauda-Königshofen im Main-Tauber-Kreis stammt ursprünglich aus Erfurt. Bis heute pflegt sie freundschaftliche Beziehungen zu dem thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke. Ihre Anhängerinschaft zum äußersten rechten Flügel der AfD demonstrierte sie auch als Erstunterzeichnerin der „Erfurter Resolution“ im März 2015 oder durch ihre Teilnahme an den Demonstrationen von „Würzburg gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (WÜGIDA). In Erfurt durfte sie am 28. Oktober 2015 sogar auf einer der großen AfD-Demonstrationen sprechen.
Im Fraktions-Zwist um die Causa Wolfgang Gedeon, der sich in seinen Schriften als unverhohlener Antisemit äußert, stimmte Baum für den Verbleib von Gedeon in der baden-württembergischen Landtagsfraktion.
Ansonsten warnte Baum vor einem „schleichenden Genozid der deutschen Bevölkerung“ durch Einwanderung oder nahm mittels einer kleinen Landtagsanfrage die extrem rechte „Identitäre Bewegung“ (IB) in Schutz.

Stefan Räpple
Der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Räpple aus Bad Peterstal im Ortenaukreis zählte wie Baum während der Spaltung der baden-württembergischen AfD-Landtagsfraktion zum Anti-Meuthen-Flügel und soll bis heute Kontakte zu Wolfgang Gedeon haben.
Räpple gilt auch nach der Wiedervereinigung der Fraktionen als Querulant. So unterzeichnete er den „Zusammenführungsvertrag“ mit der Präambel zur Abgrenzung von Antisemitismus und Rassismus nicht. Außerdem rief er am 9. November 2016 während einer Landtagsdebatte mehrfach „Volksverräter“. Dazu rechtfertigte er sich mit folgenden Worten: „Andere würden beim Totalversagen den Bundestag mit Mistgabeln stürmen und die Abgeordneten aufhängen, ich dagegen habe doch einfach nur in einem Parlament ‘Volksverräter’ gesagt, was ist daran verboten oder skandalös?“

Jürgen Elsässer
Jürgen Elsässer gilt als „Großmeister der Verschwörungstheorien“, so der „Bayrische Rundfunk“ im Januar 2016. Aus der Linken kommend hat sich Elsässer längst zu einem Vertreter der extremen Rechten gewandelt.
Diese Entwicklung läutete er spätestens im Januar 2009 mit der Gründung der „Volksinitiative gegen das Finanzkapital“ ein. Ein Jahr darauf gründete Elsässer das Monatsmagazin COMPACT, dessen Chefredakteur er bis heute ist. Anfangs versuchte COMPACT vor allem ein Querfrontorgan für alle zu sein, die sich auf das Feindbild Westen, USA und Israel und diverse Verschwörungsideologien einigen konnten.
Inzwischen unterstützt COMPACT den äußersten rechten Flügel innerhalb der AfD um Björn Höcke und auch Martin Sellner von der „Identitären Bewegung Österreich“ (IBÖ) greift für das Blatt zur Feder.
Sowohl Sellner als auch Elsässer sind zudem beteiligt an der Initiative „Ein Prozent für Deutschland“, einer Art Vernetzung und Fundraising vor allem für die extrem rechte „Identitäre Bewegung“ (IB).

Fazit: PEGIDA-Demonstration im AfD-Gewand
Die angekündigte AfD-Demonstration in Offenburg stellt eine Art PEGIDA-Demonstration im AfD-Gewand dar. Immerhin ist einer der beiden wichtigsten PEGIDA-Anführer als Redner angekündigt. Solche AfD-/PEGIDA-Gastauftritte sind selbst innerhalb der AfD sehr umstritten.
Die Landtagsabgeordneten Räpple und Baum verstoßen damit gegen eine Anweisung des AfD-Bundesvorstandes vom Mai 2016, die aber vom Bundesschiedsgericht der Partei zwischenzeitlich wieder kassiert wurde.
Damit senden Räpple und Baum ein Signal an ihre AnhängerInnen vom Höcke-Flügel. Ob das auch auf die Zustimmung der anderen Abgeordneten und des Landesvorstandes stößt, bleibt aber fraglich.